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Kirch­weih­tradition in Peesten

Ein Bild aus dem Jahr 1919 zeigt, dass damals schon Kirchweihtradition in Peesten gepflegt wurde.

1955 - die erste Kirchweih nach dem Krieg.

Kirchweih-Sonntag:

Die Kerwaburschen zogen am Kirchweihsonntag nachmittags um 16 Uhr vom unteren Wirtshaus Bergmann zur Gastwirtschaft Häckel, wo sie von den Mädels zum ersten Tänzchen schon erwartet wurden. Die Burschen trugen dunkle Hosen, weiße Hemden, Krawatten und ein keckes  Strohhütchen auf dem Kopf. Sofort zu erkennen war der Oberortsbursche durch seinen mit Blumen verziertem Zylinder und seine weiße, schräg um die Hüften gewickelten Schürze. Er trug das wichtigste Indiz, die Blumen geschmückte und mit Bier gefüllte Gießkanne, den Biersprenger, mit sich. Die Mädchen waren bekleidet mit ihren gerade aktuellen Sommerkleidern. Ein buntes Bild ergab dieser Kerwaumzug, der nun durch das Dorf zog, unüberhörbar, denn die Burschen versuchten sich gegenseitig mit ihren Kerwarufen zu überbieten. Ein voraus gehender Akkordeonspieler oder auch manchmal eine Kapelle, taten das Ihre dazu, damit die vielen Schaulustigen auf ihre Kosten kamen. Im Saal Bergmann versammelten sich alle schließlich zum Kerwatanz bis weit in die Nacht (oder in den Morgen) hinein.

Kirchweih-Montag

So war es am Montagmorgen zunächst recht ruhig im Dorf, denn Regenerieren tat not. Schließlich war die Kerwa noch nicht zu Ende. Am späteren Vormittag trafen sich jedoch alle wieder zum „Rumspielen“. Mit einem wiederum geschmückten Fässla auf einer Schubkarre zog die bunte Gesellschaft Maßkrug schwingend durchs Dorf. Auch der Musikant durfte nicht fehlen, denn vor jedem Haus wurde ein Tänzchen absolviert, dem sich die Hausfrau ohne triftigen Grund nicht entziehen durfte. Die Hausbewohner bedankten sich mit einem Obolus in Form von Eiern oder Geld und durften dafür Bier aus dem „Sprenger“ trinken. Die Stimmung der Kerwajugend stieg so natürlich von Haus zu Haus. Der Rückweg von Dörnhof nach Peesten verlief über den Kurzgraben, wo die traditionelle, feuchtfröhliche Rast eingelegt wurde. Es verwundert nicht, dass fast alle dort gemachten Fotos recht verwackelt sind, weshalb sie sich leider nicht eignen, hier abgebildet zu werden.

Im Gasthaus ergaben die eingesammelten Eier schließlich eine reichliche Mahlzeit in Form von Rühreiern mit Brot. Es soll auch vorgekommen sein, dass manches Ei schon vorher roh ausgeschlürft wurde, und dabei sogar einmal ein noch nicht fertig ausgebrütetes Kücken sein Leben lassen musste und mit verschluckt wurde!

Mit Essen und Trinken und fröhlichem Beisammensein der Ortsjugend klang die Kirchweih so am Montagabend aus.

Doch nicht nur die Dorfjugend kam auf ihre Kosten. Die Kirchweih war das Fest des Jahres schlechthin. Der Kirchweihsonntag begann mit dem Gottesdienst. Mindestens ein Familienmitglied, so war es Sitte, ging am Sonntagmorgen in die Kirche, so auch an diesem Festtag. Für die Hausfrau war dies schlicht unmöglich, denn gutes Essen und obligatorische Verwandtenbesuche verlangten ihren vollen Einsatz in Küche, Haus und Hof. Schon Tage vorher begann sie zu putzen, zu backen und das Festessen vorzubereiten. Auch musste eventuell noch das neue Kleid bei der Schneiderin anprobiert werden, denn fertige Kleidung von der Stange zu kaufen, galt als ziemlicher Luxus.

Für die Kinder gab es das „Kerwageld“. Da das heute übliche Taschengeld damals wenig verbreitet war, eröffneten sich durch diese Gabe ungeahnte Möglichkeiten. Süßigkeiten-Verkaufsstand, Karussell und Schiffschaukel auf dem Dorfplatz luden ein, diesen Schatz umzusetzen. So mancher großzügige Onkel oder Pate, der das Budget etwas aufbesserte, war deshalb gern gesehener Gast bei den Jüngsten.

Auch in den Wirtshäusern Bergmann und Häckel herrschte über die Kirchweihtage Hochbetrieb mit reichhaltigem Essensangeboten und Kerwabetrieb.

1966 fand die letzte Kerwa mit Umzug der Ortsjugend statt. Nach 37jähriger Pause lebte 2003 die Kirchweihtradition in Peesten wieder auf.

Helga Dressel